Haustürgeschäfte und mündliche Verträge: Wo gilt das Widerrufsrecht?

Lars Gabriel Meier 5 Minuten

Ein mündlicher Vertrag ist schnell abgeschlossen: Ein einfaches «Ja» oder ein Handschlag genügt, und der Vertrag ist bindend. Doch es gibt Ausnahmen: Bei sogenannten Haustürgeschäften kann man in der Schweiz vom Vertrag zurücktreten. Wann man sich auf das Widerrufsrecht berufen kann und wie man am besten vorgeht.

Ist ein mündlicher Vertrag bindend?

Nach einem langen Tag klingelt das Telefon von Eric. Eine Verkäuferin eines Mobilfunkanbieters möchte ihm ein Handy-Abo verkaufen. Eric braucht eigentlich kein neues Abonnement, aber er ist müde und lässt sich von den Anpreisungen der Verkäuferin überzeugen. Also sagt er direkt am Telefon zu.

Doch kaum hat Eric aufgelegt, realisiert er, dass sein jetziges Handy-Abo doch besser für ihn ist. Das ist ärgerlich, denn der Vertrag ist gültig, auch wenn er noch nichts unterschrieben hat.

Aber er hat Glück, denn es handelt sich in diesem Fall um ein sogenanntes Haustürgeschäft. Das Schweizerische Obligationenrecht (OR Art. 40) räumt Konsumentinnen und Konsumenten für diese Art von Geschäften ein Widerrufsrecht ein. Das heisst, Eric kann innerhalb von 14 Tagen von dem Kauf zurücktreten. Allfällige Rechnungen muss er nicht bezahlen.

Wann kommt ein mündlicher Vertrag zustande?

Grundsätzlich ist in der Schweiz keine Unterschrift notwendig, damit ein rechtlich bindender Vertrag zustande kommt. Das bedeutet: auch durch einen Handschlag oder eine mündliche Zustimmung kommt ein verbindlicher Vertrag zustande. In vielen Fällen werden Vereinbarungen dennoch schriftlich festgehalten, denn im Streitfall erschwert eine mündliche Einigung die Beweisführung. 

Mündliche Verträge sind nicht bindend, wenn:

  • Sich die Parteien nicht über die wesentlichen Punkte, wie Preis und Leistung, einig sind.
  • Der Vertrag unmögliche, unsittliche oder widerrechtliche Inhalte hat.
  • Der Vertrag wegen einem Irrtum, einer Täuschung oder einer Drohung zustande kommt.

Es gibt einige wenige Ausnahmen von Verträgen, die von Gesetzes wegen nur schriftlich gültig sind. So schreibt beispielsweise das Konsumkreditgesetz KKG, Art. 9 vor, dass Konsumkreditverträge schriftlich abzuschliessen sind, um gültig zu sein. Ähnliches gilt bei Ehe- und bei Grundstückkaufverträgen.

Wann liegt ein Haustürgeschäft vor?

Ein sogenanntes Haustürgeschäft bezeichnet ein Geschäft, das ausserhalb von festen Geschäftsräumen abgeschlossen wird. Typischerweise handelt es sich um Situationen, in denen die Verkäuferin respektive der Verkäufer oder dessen Vertreterschaft unaufgefordert potenzielle Kundinnen und Kunden kontaktiert.

Um Verbraucherinnen und Verbraucher in solchen Drucksituationen zu schützen, gilt das Widerrufsrecht: Dieses ermöglicht den Käufern, innerhalb einer Frist von meist 14 Tagen vom Vertrag zurückzutreten. 

Wann beginnt die Frist für einen Widerruf?

Anbieterinnen und Anbieter müssen schriftlich über das Widerrufsrecht informieren. Die 14-tägige Frist beginnt jedoch erst an dem Tag, an dem diese Information erfolgt.

Wer also am 02. Juni einen Vertrag abschliesst und die Unterlagen inklusive der schriftlichen Information über das Widerrufsrecht am 14. Juni zugestellt bekommt, kann von diesem bis am 28. Juni Gebrauch machen.

Gut zu wissen: Minderjährige und Verträge

Unabhängig davon, ob ein Haustürgeschäft vorliegt oder nicht, sollten sich Eltern folgendem bewusst sein: In der Schweiz können Minderjährige Verträge laut Gesetz (ZGB Art. 19 Abs. 1) nur mit der Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertretung eingehen. In der Praxis heisst das: Wenn die Eltern dem Vertrag nicht zustimmen, wird er als nicht zustande gekommen betrachtet. In diesem Fall können beide Parteien ihre Leistungen zurückverlangen.

Ausnahmen liegen bei unentgeltlichen Verträgen (ZGB Art. 19 Abs. 2) sowie beim eigenen Sackgeld oder dem selbst verdienten Lohn (ZGB Art. 323 Abs. 1) vor. Wenn der Käufer oder die Käuferin noch nicht volljährig ist und der Kaufbetrag über das hinausgeht, was üblicherweise mit dem regulären Sackgeld oder Jugendlohn bestritten werden kann, können die Eltern somit die Zustimmung zum Vertrag verweigern. Dann besteht keine Zahlungsverpflichtung.

Wann kann man sich auf das Widerrufsrecht berufen?

Das Widerrufsrecht gibt den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Möglichkeit, ihre Kaufentscheidung im Nachgang noch einmal zu überdenken und zu prüfen, ob das Produkt oder die Dienstleistung tatsächlich ihren Bedürfnissen entspricht. So können sie impulsive Entscheidungen vermeiden und haben die Gelegenheit, in Ruhe alle Aspekte des Kaufs abzuwägen, bevor sie sich endgültig binden.

Damit man sich auf das Widerrufsrecht nach Artikel 40 des Obligationenrechts beziehen kann, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Das Angebot erfolgte zuhause oder am Arbeitsplatz; im öffentlichen Raum oder in öffentlichen Verkehrsmitteln; an einer Werbeveranstaltung, die mit einer Ausflugsfahrt oder einer ähnlichen Veranstaltung verbunden ist; oder am Telefon.
  • Der Vertrag betrifft eine sog. bewegliche Sache oder Dienstleistung, die für den persönlichen oder familiären Gebrauch bestimmt ist. Bewegliche Sachen umfassen beispielsweise Küchengeräte, Smartphones oder andere transportable Gegenstände.
  • Der Kaufbetrag muss mindestens 100 Franken betragen.

Kein Widerrufsrecht haben Kundinnen und Kunden hingegen, wenn sie die Vertragsverhandlung ausdrücklich gewünscht haben oder aber den Kauf an einem Markt- oder Messestand getätigt haben.

Wie macht man sein Widerrufsrecht geltend?

Um von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, muss man den Verkäufer oder die Verkäuferin innerhalb einer 14-tägigen Frist über seinen Rücktritt informieren. Es ist ausreichend, wenn die Widerrufserklärung am letzten Tag der Frist mitgeteilt oder der Post übergeben wird.

Das Gesetz sieht keine zwingende Form für den Widerruf vor. Man kann die Erklärung also mündlich oder schriftlich einreichen. Es ist aber sinnvoll, sie mit einem eingeschriebenen Brief zu verschicken. Dieser ist zwar kein Muss, aber so hat man im Streitfall klare Beweise.

Hat man im Zeitraum zwischen dem Vertragsabschluss und dem Widerruf den Gegenstand bereits gebraucht, schuldet man dem Anbieter oder der Anbieterin einen angemessenen Mietzins. Darüber hinaus gehende Entschädigungen sind hingegen nicht zulässig.

Kein Widerrufsrecht beim Online-Shopping

Das Widerrufsrecht gilt auch bei Haustürgeschäften, die digital abgeschlossen werden können. Dazu zählen beispielsweise Verträge, die durch unaufgeforderte Telefonanrufe, E-Mail-Angebote oder Online-Chats mit Verkäuferinnen und Verkäufern zustande kommen. 

Kein Haustürgeschäft ist es allerdings, wenn jemand beim Surfen im Internet auf ein Angebot stösst und einen Kauf tätigt. 

Die Grenze zwischen Haustürgeschäft und «normalem» Kauf liegt also darin, ob die Käuferin oder der Käufer unaufgefordert kontaktiert wurde oder von sich aus auf ein Angebot stösst. 

Auch beim Online-Shopping sieht der Gesetzgeber kein generelles Widerrufsrecht vor. Mit dem Klick auf den «Kaufen»-Button kommt ein gültiger Vertrag zustande – ausser, es handelt sich um eine betrügerische Webseite

Tipps zum Widerrufsrecht

  • Bei Angeboten am Telefon oder an der Haustür sollte eine schriftliche Offerte verlangt werden. Es ist wichtig, sich nicht unter Druck setzen zu lassen, den Kauf schnell abzuschliessen.
  • Die Widerrufserklärung schickt man am besten in einem eingeschriebenen Brief, um den Widerruf im Streitfall problemlos nachweisen zu können.
  • In der Schweiz gibt es zwar keine spezielle, gesetzlich vorgeschriebene Vorlage für eine Widerrufserklärung. Dennoch gibt es bestimmte Mindestanforderungen, die eingehalten werden müssen: So muss die Widerrufserklärung klar und deutlich den Willen zum Widerruf des Vertrages ausdrücken. Ausserdem hat der Widerruf innerhalb der Widerrufsfrist von 14 Tagen (siehe oben) zu erfolgen.
  • Wer ein Paket erhält, das er oder sie nicht bestellt hat, muss die Rechnung nicht bezahlen. In diesem Fall sollte der Absender oder die Absenderin mittels eines eingeschriebenen Briefes aufgefordert werden, eine Kopie der Bestellung zu senden oder die Ware auf eigene Kosten abzuholen.