Reportage: Eine Familie auf der Suche nach finanzieller Fairness
Ist es gerecht, wenn das Hobby des einen Sohnes ein kleines Vermögen kostet, während der andere Sohn am liebsten Freunde trifft oder liest? Soll ein Kind ein teures Hobby mitfinanzieren – oder soll das Geschwisterkind irgendeine Art von Ausgleich erhalten? Vor genau diesen Fragen stehen Julia und Reto Z. Wie sie als Eltern damit in der Praxis umgehen, verraten sie in dieser Reportage.
Der diesjährige Januar ist für die beiden Brüder Janik und Levin ein ganz besonderer: Statt des monatlichen Taschengelds bekommen sie erstmals einen Jugendlohn – Janik 130 Franken pro Monat, sein Bruder 120 Franken. «Das Alter plus eine Null hintendran», lacht Mutter Julia Z. Von dem Geld müssen die beiden Jugendlichen ihre Handy-Abonnements, Kleidung, Coiffeurbesuche, Geburtstagsgeschenke für Freunde sowie «unnötige» Ausgaben wie Süssigkeiten oder Süssgetränke und Snacks berappen. Die Eltern übernehmen lediglich die Kosten für Schuhe und Jacken, die wirklich nötig sind. «Das dritte Paar Sneakers müssen sie sich hingegen selbst kaufen», präzisiert Vater Reto. Janik und Levin bekommen das Geld von ihren Eltern nicht in bar, sondern direkt auf ihre Jugendkonti überwiesen. «Ob das so gut ist, weiss ich allerdings nicht», gibt Reto unumwunden zu. «Ich befürchte, Janik und Levin geben mehr aus, weil das Geld weniger greifbar ist.» Doch um Twint und Co. komme man heutzutage einfach kaum mehr herum.
«Das dritte Paar Sneakers müssen sie sich selbst kaufen.»
Reto Z.
Eltern unterstützen sportliche Ambitionen ihres Sohns
Nur ein Jahr Altersunterschied liegt zwischen den beiden Brüdern, doch ihr Alltag könnte unterschiedlicher kaum sein: Während Janik die Sekundarschule besucht und am liebsten Zeit mit seinen Freunden verbringt, liest oder einfach seine freie Zeit geniesst, strebt Levin eine Karriere als Profisportler im Freestyle-Skiing an. Im Frühjahr 2023 ist er in das Kader des Zentralschweizer Schneesportverbands aufgenommen worden.
Levin (12) strebt eine Karriere als Profisportler im Freestyle-Skiing an.
Seit letztem Herbst wird der Zwölfjährige von Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten gesponsert. «Zusammen mit meiner Mutter habe ich alle möglichen Leute angeschrieben und gefragt, ob sie mich unterstützen wollen», erzählt Levin nicht ohne Stolz. Rund 2000 Franken sind auf diesem Weg zusammengekommen. Das Geld liegt nun auf einem Sparkonto, auf das Levin selbst jedoch keinen Zugriff hat. «Sein Sport ist teuer», erklärt Julia Z. Eine Saison koste mehr als 6000 Franken. Training, Camps, Ausrüstung, Skipässe, Startgelder, Busfahrten, Essen – da komme ganz schön viel zusammen. Allein die Trainingscamps kosten jeweils 250 Franken – und finden im Winter jedes Wochenende statt. «Mit den 2000 Franken kommen wir also nicht weit», fasst Julia Z. zusammen und lacht.
«Levins Sport ist teuer. Eine Saison kostet mehr als 6000 Franken. Mit den 2000 Franken aus dem Sponsoring kommen wir also nicht weit.»
Julia Z.
Julia und Reto Z. überweisen den Jugendlohn direkt auf die Jugendkonti ihrer Söhne.
Diskussionen wegen Ungleichbehandlung
Vor anderthalb Jahren ist Levin vom Skirennsport auf Freestyle-Skiing umgestiegen; ein halbes Jahr später wurde er in das Kader aufgenommen. Janik fand es am Anfang ungerecht, dass seine Eltern so viel Geld für seinen kleinen Bruder ausgeben, während er «lediglich» Fussball spielt und sich sein Taschengeld mit Babysitting aufbessert. «Es gab immer mal wieder Diskussionen, weil sich Janik benachteiligt gefühlt hat», erinnert sich auch sein Vater. Zumal Levin neben seinem Skisport auch noch Schlagzeug und Fussball spielt. «Aber Janik weiss, dass wir ihn genauso unterstützen würden wie seinen Bruder.»
«Es gab immer mal wieder Diskussionen, weil sich Janik benachteiligt gefühlt hat. Aber Janik weiss, dass wir ihn genauso unterstützen würden wie seinen Bruder.»
Reto Z.
Levins Leidenschaft gilt dem Freestyle-Skiing. Sein grosser Bruder Janik spielt gern Fussball – aber nur hobbymässig.
Im Juli schliesst Levin die Primarschule ab. «Je nachdem gehe ich dann auf die Sekundarschule, die Sportschule Kriens oder die Talentklasse Schwyz», erklärt er. Und fügt an: «Ich hoffe, sie nehmen mich in Schwyz.» Die Aufnahmeprüfung ist allerdings nicht ohne. Sollte er es schaffen und seine sportlichen Leistungen Bestand haben, ist ab der zweiten Oberstufe ein Übertritt in die Sportmittelschule Engelberg möglich. Levin strahlt: «Das wäre das Allergrösste für mich.» Hier haben immerhin Spitzensportler wie Dominique Gisin oder Levins grosses Vorbild Andri Ragettli die Schulbank gedrückt. Doch der Traum ist nicht gratis: Rund 15’000 Franken kostet das Internat jährlich. Finanzieren würden dies die Eltern. Da beide Vollzeit arbeiten, müssten sie keinen Kredit aufnehmen. Wie sie das Finanzielle handhaben, wenn Levin dereinst mit dem Sport Geld verdienen sollte, wissen sie noch nicht. «Wir nehmen es Schritt für Schritt.»
Wenn sie nicht auf den Skiern stehen, fahren sie zusammen Bike: Familie Z. ist gern sportlich unterwegs.
Bewusstsein für Geld vermitteln
Trotz seiner privilegierten finanziellen Lage ist es dem Ehepaar Z. wichtig, seinen Kindern ein gesundes Verhältnis zum Geld zu vermitteln. Die Eltern beziehen ihre Söhne deshalb regelmässig in die Budgetplanung mit ein. «Als sportbegeisterte Familie sind wir jeweils den ganzen Winter über in der Schweiz unterwegs, um Ski zu fahren», erzählt Reto Z. Deshalb beschränken sich die Sommerferien auf Biketouren in den Bergen – und auch Ferien am Meer unternimmt die Familie zwar gelegentlich, jedoch nicht jedes Jahr. Sportskanone Levin hat sich letztes Jahr von seinem Ersparten ein eigenes Fully, also ein vollgefedertes Mountainbike gekauft. «Jetzt ist mein Sparkonto fast leer», gesteht er. «Aber ich bereue es keine Sekunde. Das war der beste Kauf meines Lebens!»
«Jetzt ist mein Sparkonto fast leer. Aber ich bereue es keine Sekunde. Das war der beste Kauf meines Lebens!»
Levin Z.
Sobald er 14 ist, will sich Janik seinen grossen Wunsch erfüllen: ein Töffli.
Janik hingegen hat gespart. Denn sobald er 14 ist, will er sich seinen grossen Wunsch erfüllen: ein Töffli. «Ich habe jetzt 2500 Franken angesammelt», sagt er zufrieden. Das reicht genau für das Töffli seiner Träume. «Ich muss dafür lediglich auf ein paar Sneakers verzichten.» In den letzten sieben Jahren hat der 13-Jährige ausserdem diverse Geburtstags- und Weihnachtsgelder gespart, um sein Sparziel zu erreichen.
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