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«Online-Shopping hat eine Sogwirkung»

Jan Krumnacker 3 Minuten

Was ist unkontrolliertes Einkaufen? Wie erkennen Eltern Symptome einer Kaufsucht beim Kind? Was können Angehörige tun und wo finden sie Hilfe? Antworten auf diese Fragen gibt Karinna Schärli, Familienberaterin und Psychotherapeutin im Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte in Zürich.

Frau Schärli, was genau ist unkontrolliertes Einkaufen?
Unüberlegtes Einkaufen ohne Rücksicht auf den Bedarf und auf die eigenen finanziellen Möglichkeiten

Woran erkennen Eltern, dass das Kind ein Suchtproblem beim Einkaufen hat?
Wenn Jugendliche Bestellungen auf Rechnung aufgeben, die sie nachher nicht bezahlen. Oder sie überziehen die eigene Kreditkarte oder nutzen die ihrer Eltern – und das manchmal auch ungefragt. Die Jugendlichen kaufen mehrere Versionen von Schuhen und Kleidern in unterschiedlichen Grössen und Farben online. Und anstatt sich für nur eine Sache davon zu entscheiden, behalten sie mehr, als sie sich anfangs vornahmen.

Kann Online-Shopping also schneller zu einem Suchtverhalten führen?
Online-Shopping hat eine grössere Sogwirkung als herkömmliches Shopping. Viele Jugendliche wollen die Pakete zu Hause erhalten. Es ist, als ob die Ware einem schon gehört. Wenigsten für ein paar Tage. Sie finden es lässig die ganzen Pakete zu bekommen, auszupacken und anzuprobieren. Das hat etwas Belohnendes – ähnlich wie Geschenke an Weihnachten. Dazu kommt, dass Online-Shopping zu jeder Zeit möglich ist. Auch die Schnäppchenjagd kann sehr verführerisch sein.

Welche Faktoren können eine Kaufsucht bei Jugendlichen fördern?
Die sozialen Netzwerke wie Instagram vergrössern das Suchtpotential. Der Grund ist die Anerkennung, die junge Erwachsene über diese Kanäle bei Gleichaltrigen erhalten. Sie schminken sich und ziehen tolle Kleider an, um dann für ein Foto zu posieren. Nicht selten bestellen sie die Ware nur für das Foto, um damit Likes, Follower und Kommentare zu erhalten.

Einkaufen gehört zum Alltag. Wie kann ich meinem Kind einen gesunden Umgang mit Konsum beibringen?
Mein Ratschlag ist, das Thema Geld früh mit den Kindern zu besprechen. Am besten im Primarschulalter. Schon mit Kleinkindern kann man über den Lohn, das Geld und den Nutzen davon sprechen. Wenn sie später selber einen Jugendlohn erhalten, begleitet man die Kinder dabei, wie sie damit kontrolliert umgehen und einkaufen. Das ist nicht an einem Tag gemacht, sondern eine kontinuierliche Aufgabe über viele Jahre hinweg.

Wie reagiere ich, wenn mein Kind viel zu viel und oft shoppen gehen will?
Vor allem das impulsive Shopping und die sofortige Befriedigung birgt langfristig Suchtpotenzial. «Ich will es jetzt sofort mit einem Click» – und schon kommt es nach Hause. Es ist sehr gefährlich, wenn man diesen Automatismus fördert. Darum hilft es, mit den Kindern den Einkauf gemeinsam zu planen. Zum Beispiel wollen sie bestimmte Schuhe. Also fokussiert man sich auf ein Kleidungsstück und schaut sich gemeinsam den Preis an, bespricht, wie lange die Kinder dafür sparen müssen.

Was sind weitere vorbeugende Massnahmen?
Wie bereits erwähnt, sind es oft Kinder mit einem tiefen Selbstwertgefühl, die versuchen über das Einkaufen ihr Selbstbewusstsein aufzubauen. Als Eltern kann man kontinuierlich und über lange Zeit zum positiven Selbstbild und zur Selbstliebe beitragen. Eltern können andere Freizeit-Beschäftigungen fördern wie etwa Sport oder ähnliches, wo das Kind Anerkennung bekommt und einen gesunden Selbstwert entwickelt.

«Gespräche über Geld bereiten Kinder auf die Konsumwelt vor»

Das Reden über Geld im Familienalltag hilft Kindern schon früh, einen sorgfältigen Umgang mit Geld zu erlernen. Wie Eltern das Thema ansprechen können, sagt Sandra Wey, Präsidentin der Jugend-, Ehe- und Familienberatung des Kantons Aargau, im Interview.

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Ist Shoppen denn grundsätzlich mit Argwohn beim Kind zu beobachten?
Nein, auf keinen Fall. Das Shoppen mit Freunden und Freundinnen ist etwas Schönes. Die Frage ist, ob sie das jeden Samstag machen und es so zur einzigen Freizeitbeschäftigung wird.

Was passiert, wenn mein Kind Schulden hat?
Wenn das Kind schon Betreibungen generiert, sollte man nicht einfach das Problem für das Kind lösen. Die Eltern können diese erstmal abwenden, aber das Kind sollte mit dem eigenen Geld oder mit Arbeiten den Betrag zurückzahlen. Es ist wichtig, dass es Konsequenzen für das Kind gibt und die Eltern die Geldprobleme nicht einfach magisch lösen.

Was mache ich, wenn mein Kind bereits kaufsüchtig ist?
Wenn es ein massives Problem wird, braucht es eine Fachperson. Das kann eine Jugendberatung oder Suchtberatung sein. Es ist wichtig, dass die Eltern auch mitmachen. Das Kind sollte das nicht allein bewältigen müssen.

Welche Gefahr birgt ein plötzliches Kaufverbot?
Wenn das Kind in eine Sucht verfällt, dann hat es etwas gesucht. Das kann Beschäftigung sein oder ein besseres Selbstbild, Prestige, Anerkennung bei Gleichaltrigen etc. Wenn das Shopping auf einmal wegfällt, können einige Kinder in ein Loch fallen. Manchmal ziehen die Eltern eine Bremse und überlegen nicht, was mit dem Kind danach passiert. Wenn der Hahn zugedreht wird, muss man das Kind trotzdem weiter begleiten und eventuell eine Fachberatung beiziehen.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls?
Hoch. Für die Betroffenen war Shopping eine Belohnung und etwas Positives. Die negativen Folgen sind Schulden und Ärger mit den Eltern. Das Positive wird immer wieder anziehend sein.